China, Provinz Sichuan: Beissende Hunde

Uns hat das Hochland von Westsichuan mit seinen freundlichen tibetischen Bewohnern sehr gut gefallen, aber leider muessen wir Hals ueber Kopf und viel zu frueh wieder abreisen: Von Shangri-La aus geht es mit dem Bus zunaechst auf kurvenreicher Strecke ins 3300 m hoch gelegene Xiangcheng. Die Strasse ist zum groessten Teil ohne Asphalt, sehr matschig und entsprechend sehr langsam zu befahren, sodass wir fuer die 76km knapp 9 Stunden benoetigen. Sehenswert sind in Xiangcheng die vielen weissen steinernen Bauernhaeuser, die mit ihren dicken Mauern wie kleine Trutzburgen wirken. Im Inneren der Haeuser sind die Raeume reich bemalt und verziert. Wir machen noch einen Spaziergang zum oberhalb der Stadt gelegenen Kloster, sehen Moenchen beim Frisieren sowie Arbeitern beim Ausstanzen von Messingfiguren fuer einen weiteren Tempelbau zu. 

Bisher hatte es mit Busfahren in China ganz gut geklappt. Dass es auch anders geht, erfahren wir am kleinen Busbahnhof von Xiangcheng, wo man uns kein Ticket verkaufen will, obwohl noch Sitzplaetze im Bus nach Litang frei sind. Da hilft auch diskutieren nichts. Aergerlich ist es schon, denn wir sind extra kurz vor 5 Uhr aufgestanden, um die Tickets 5:30 Uhr zu bekommen. Aber wir haben uns dann mit einem franzoesisch-griechischen Paar und einem Chinesen zusammengetan und uns ein Taxi nach Litang geteilt. Der Ort Litang ist auf 4.014 m gelegen. Die Menschen hier, mehrheitlich Tibeter, sind ausgesprochen freundlich, laecheln und rufen uns meist ein "Hello" zu.  Statt Rindfleisch und Tee gibt es hier Yakfleisch und Yakbuttertee. Auch soll hier der 7te und 10te Dalai Lama geboren sein. Ein Geburtshaus ist heute ein Tempel mit vielen Butterlampen und aelteren Menschen die dort beten. Trotz der Hoehe wachsen noch ein paar Baeume, aber relativ nah auf den Bergen koennen wir Schnee sehen. Das Wetter ist auch etwas regnerisch und in der Hoehe ist es ohne Sonne doch recht kuehl. In den Haeusern gibt es keine Heizung, maximal einen kleinen Kochofen. Im Hostel bekommen wir zum Glueck eine Heizdecke fuer jedes Bett.

Am naechsten Morgen zieht der Nebel langsam zu den Bergen. Wir gehen zu den Wiesen vor dem Ort, schauen den Yaks beim grasen zu und geniessen den Blick auf die umliegenden, von Rauhreif und Schnee bedeckten Berge. Auf dem Rueckweg zum Hostel nimmt das Verhaengnis seinen Lauf: Wir wollen eine Abkuerzung nehmen, Tina wird von einem Hund angesprungen und gleich gebissen. Zum Glueck konnte Tinas Pass in ihrer Hosentasche den Biss etwas abfaelschen. Im Hostel treffen wir Kaka, eine gut englisch sprechende Chinesin, die dankbarerweise mit uns zum oertlichen Arzt faehrt und fuer uns uebersetzt. Die Wunde wird desinfiziert und Tina bekommt Medikamente gegen Schmerzen und Entzuendung. Besorgt fragen wir nach Tollwutmedikamenten, aber der Arzt meint, dass es in dieser Hoehe keine Tollwut gaebe und das oertliche Krankenhaus keine entsprechenden Medikamente hat. Tollwutspritzen gibt es nur in der 15 Busstunden entfernten Provinzhauptstadt  Chengdu. Bei der Recherche im Internet erfahren wir, dass Tollwut in China und im hoch gelegenen Tibet doch stark verbreitet ist und beschliessen, es nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Der taegliche Bus ins naechstgroessere Kangding ist schon weg und so nehmen wir ein teures Taxi. Wir fahren eine der landschaftlich reizvollsten Strecken Chinas ohne Anhalten und aergern uns ueber einen grossen Militaerkonvoi, der uns unterwegs fuer eine halbe Stunde die Weiterfahrt versperrt. Kangding erreichen wir nach 7 Stunden anstrengender, holpriger Fahrt. Zu unserem grossen Pech ist die Strasse nach Chengdu am Abend wegen Felssturz gesperrt und so bleibt uns nichts anderes uebrig, als eine Nacht in einem schaebigen Zimmer an der Strecke zu uebernachten. Chengdu erreichen wir am naechsten Morgen gegen 12 Uhr. Dort steuern wir zunaechst das hoch moderne West China Hospital an. Wir zeigen unseren Zettel vor, auf den Kaka auf chinesisch geschrieben hat, was vorgefallen ist. Sofort werden wir von der Schwester im riesigen Wartesaal an eine weitere Schwester weitergereicht, die uns wiederum an den naechsten weitergibt. Und so landen wir schliesslich in der Notaufnahme, wo uns ein englischsprechender junger Assistenzarzt erklaert, dass wir fuer die Impfung in eine der oertlichen Kliniken gehen muessen. Er sucht fuer uns die naechstgelegene heraus und gibt uns eine Wegbeschreibung fuer den Taxifahrer mit.

In der Klinik bekommen wir mit, wie es in China beim Arzt laeuft: Das Arztzimmer steht offen und jeder, der denkt, er ist jetzt dran, gesellt sich zu dem gerade stattfindenden Patient-Arztgespraech dazu, um Fragen zu seinem eigenen Krankenfall einzuwerfen. Nachdem wir das begreifen, stehen auch wir im Zimmer und als die Aerztin unseren von Kaka geschriebenen Zettel in den Haenden haelt, wendet sich das Blatt zu unseren Gunsten. Nun stehen wir im Mittelpunkt des Geschehens. Da wir beim Ausfuellen des Krankenformulars erhebliche Probleme haben - wir verstehen Bahnhof - werden weitere Schwestern involviert. Ein Gefuehl von "Lost in Translation" kommt auf. Aber zu unserem Glueck findet sich bald ein junger Krankenpflegerschueler, Tony, der etwas englisch kann. Er ist unsere Rettung, denn von nun an uebersetzt er unsere Erklaerungen fuer die Aerztin und Schwestern und sagt uns, was wir auf dem Formular anzukreuzen haben. Zeitweise stehen 5 Personen im weissen Kittel um Tina, diskutieren, stellen Berechnungen nach der korrekten Impfdosis an und inspizieren die Bisswunde. Mittlerweile nehmen auch all die anderen Patienten der Klinik Anteil an Tinas Krankengeschichte. Nach all dem Bangen sind wir wirklich erleichtert und dankbar fuer die uns entgegengebrachte Aufmerksamkeit und fuehlen uns in guten aerztlichen Haenden. Tinas Wunde wird ausgiebig desinfiziert und dann wird im "Injection Room" Immoglubin unter die Wunde gespritzt, nicht gerade angenehm. Danach gibt es noch eine Spritze in den Arm und nicht nur wir, auch Tony, die Aerztin und Schwestern, die genauso aufgeregt waren wie wir, sind erleichtert, als Tinas Fall fuer heute abgeschlossen ist. Fuer heute, denn Tina muss sich in der naechsten Woche noch weitere zwei Spritzen in den Arm abholen. So richten wir uns vorerst in Chengdu ein und uebernachten im sehr angenehmen Mix Hostel, wo am Abend ein Dumpling-Kochkurs stattfindet, bei dem "Pelmeni" nach chinesischer Art zubereitet und anschliessend gemeinsam gegessen werden.  (Durch Doppelklick werden die kleinen Bilder groß.)

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