China, Provinz Yunnan: Spieleabend auf Chinesisch

Von Laos kommend aendert sich das Bild drastisch, sobald wir die Grenze zu China passiert haben. Holpert der Bus in Laos noch ueber eine Schlaglochpiste und gruessen die Grenzbeamten aus Blechcontainern, betreten wir im chinesischen Grenzgebaeude eine grosse, moderne Eingangshalle aehnlich wie im Flughafen und wir setzen unsere Fahrt auf der gut ausgebauten Autobahn fort. Unsere erste Station hinter der Grenze ist Jinghong, eine freundliche, saubere Stadt mit unerwartet viel Gruen, modernen Hochhaeusern und Shoppingcentern.

Was uns beim Stadtbummel sofort auffaellt, ist die Spielfreude der Chinesen. Am Abend oder wenn im Laden gerade nichts zu tun ist, gruppieren sich die Spieler um einen kleinen Tisch mitten auf dem Fussweg und spielen Karten oder Majong. Besonders beliebt unter Maennern ist Chinesisch Schach. Rasch gesellen sich ein paar Zuschauer dazu, die miteifern und Tips geben. Spielfreude und Geselligkeit scheinen in China noch wichtig, ganz im Gegenteil zu unserem Eindruck von den suedostasiatischen Staedten, wo permanent der Fernseher lief. 

Am Stadtrand macht die Modernitaet abrupt halt und es beginnt das doerfliche Leben, das wir mit dem Fahrrad erkunden. Angezogen vom ohrenbetaeubenden Schweinequieken kommen wir zu einem Gehoeft, auf dem gerade zwei grosse Saeue eingefangen und lebendig gewogen werden. Vier kraeftige Maenner muessen anpacken, um die Schweine bei diesem Unterfangen im Zaum zu halten. Anschliessend werden die Tiere zum Dorfplatz gefahren und es beginnt die Schlachtung mitten auf dem staubigen Weg. In zwei grossen Kesseln auf offenem Feuer kocht bereits Wasser, das zum Entfernen der Borsten verwendet wird. Nicht benoetigte Innereien landen im benachbarten Flusslauf. In dem wird anschliessend auch das "gute" Schweinefleisch gewaschen. Der blutueberstroemte Weg wird mit dem Restwasser aus den Kesseln gesaeubert und die zerlegten Fleischteile samt Kopf auf einen Anhaenger geladen. Nach diesem Erlebnis wissen wir - heute abend gibt es fuer uns nur vegetarische Kost. Vegetarisch essen ist dabei gar nicht so einfach, denn die Chinesen lieben Fleisch. Und gemischtes Gemuese besteht meist nur aus verschiedenen gruenen Blaettern. Da loben wir uns die Garkuechen, bei denen man sich sein Gerichte aus verschiedenen Toepfen selbst zusammenstellen kann.

Die Chinesen sind sehr praktisch orientiert. Ist die Seilbahn gerade nicht in Betrieb, wird sie als Waescheleine benutzt. Auch wird an allen Ecken grossflaechig gebaut: glaeserne Wolkenkratzer, riesige Stadtviertel und Einkaufspassagen. Und wenn sich eine Gegend bzw. ein Ort touristischer Beliebheit erfreut, ist folgendes Baukonzept beliebt: man entferne die geschichtstraechtige, "marode" Stadtarchitektur (bei vielen Tempeln geschah das bereits waehrend der Kulturrevolution...) und erneuere die Gebaeude komplett im alten Stil. Danach eroeffne man unweit davon einen Themenpark, wo die Lebensweise der ansaessigen Bewohner - meist eine Minderheitenvolksgruppe wie die Dai oder Naxi - zur Schau gestellt wird und erhebe eine deftige Eintrittsgebuehr. Zielgruppe dieses Konzepts sind nicht etwa die westlichen Individualtouristen, sondern vorallem chinesische Reisegruppen, die scharenweise kommen. Bestes Beispiel fuer diese Entwicklung ist Lijiang - Yunnans beliebtester Touristenort. Die Stadt wurde, zum Teil aufgrund eines Erdbebens, voellig neu aufgebaut. Die Altstadt gleicht einem riesigen Freilichtmuseum und wir verirren uns in den verwinkelten Gassen, die alle zum Verwechseln aehnlich aussehen und von unzaehligen Souvenirlaeden, Restaurants und Gaestehaeusern gesaeumt sind. Die Mehrzahl der ehemals ansaessigen Naxi Einwohner hat ihre Haeuser verkauft und ist weggezogen. Doch ausserhalb dieser touristisch hergerichteten Altstaedte findet nach wie vor das quirlige, chinesische Stadtleben mit seinen bunten Strassenmaerkten statt, das wir besonders in Dali geniessen. Wir schnappen uns ein Fahrrad und erkunden die Umgebung. Und die ist wirklich malerisch. Mit stetem Blick auf den schneebedeckten Jadedrachenberg geht es vorbei an Reisfeldern, Seen, Pagoden und Doerfern, wo die Bauern ihr Getreide direkt auf der asphaltierten Dorfstrasse trocknen und dreschen.

« zurück zur Rubrik "reiseberichte"

 
impressum