China: Am Anfang der Seidenstrasse oder Friseurteam stillgestanden

Wo die Seidenstrasse - die alte Handelsstrasse zwischen China und Europa - genau anfaengt, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Wir reisen zunaechst in die alte Kaiserstadt Xi'an, ein wichtiger Zwischenstopp der Handelskaravanen und dann weiter Richtung Osten, wo die Seide seit ueber 3000 Jahren produziert wird.

Auf der Fahrt von Chengdu nach Xi'an und dann weiter Richtung Chinas Ostkueste lernen wir das entspannte Reisen mit der chinesischen Bahn kennen. Hat man einen Platz im Liegewagen ergattert, laeuft danach alles recht unkompliziert und vorallem geordnet ab. Das faengt schon vor der eigentlichen Fahrt ein. Gemeinsam mit den anderen Fahrgaesten warten wir nicht etwa am Bahnsteig, sondern in einer grossen und modernen Wartehalle. Um dahin zu kommen, wird vorher unser Gepaeck durchleuchtet. Das erinnert eher an Flughafenatmosphaere. Nachdem wir zum richtigen Gleis durchgelassen worden, begruesst an jedem Waggon ein Zugbegleiter den Fahrgast und kontrolliert den Fahrschein noch vor Betreten des Zuges. Im Schlafwagenabteil geht es eng, aber sauber zu. Nachdem alle Reisenden samt Gepaeck verstaut sind, wird unser Zugbegleiter wieder aktiv. Aus einer Mappe zueckt er Plastikkarten, haendigt jedem Fahrgast eine aus und sammelt im Gegenzug die Fahrkarte ein, um sie in derselben Mappe abzuheften. Diese Aktion wiederholt sich in umgekehrter Richtung kurz bevor wir das Reiseziel erreichen. So ist sichergestellt, dass auch keiner seine Ankunft verschlaeft. Es herrscht eben Ordnung und Kontrolle im chinesischen Zugabteil. Das hat klare Vorzuege gegenueber der indischen Bahn, wo es sehr schwierig war, am richtigen Bahnhof auszusteigen, vorallem frueh gegen 3 oder 4 Uhr und bei Verspaetung des Zuges.

Oft sind die Schlafwagen mehrere Tage im vorhinein ausgebucht und da wir nicht tagelang warten wollen, muessen wir auch einmal im Sitzabteil die Nacht verbringen. An Schlafen ist kaum zu denken, nicht nur weil die Sitze nicht verstellbar sind, vorallem wegen dem lauten Geraeuschpegel im Abteil. Das liegt nicht nur an den Fahrgaesten, sondern auch das Zugpersonal kommt mit vollem Verkaufseifer und Lautsprechern durch den Waggon und die kuriosesten Sachen werden noch weit nach Mitternacht an die Fahrgaeste verkauft. So koennen wir z.B. die "Falschgeldleuchte" an echtem Geld und an Blueten testen. Die Verstaendigung mit den anderen Reisenden ist schwierig, diese sind aber meist interessiert, wollen wissen woher wir kommen, was wir machen, ob wir verheiratet sind und ob wir Kinder haben. Aber mit dem Zeigen unserer Kamerabilder entwickelt sich ein lustiges Ratespiel zwischen unseren chinesischen Mitreisenden, die anhand der Bilder erraten, wo wir in China ueberall schon waren.

Bei Ankunft in der neuen Stadt stehen wir ab und an verloren im Strassengewirr vor den chinesischen Strassenschildern. Aber immer genau da finden sich nette junge Chinesen, die uns mit den Worten "Can I help you?" ihre Hilfe anbieten. Wissen sie selbst nicht den richtigen Weg, greifen sie spontan zum Handy und telefonieren mit unserem Hostel. Danach begleiten sie uns ein Stueck und freuen sich, mit uns in Englisch sprechen zu koennen und ein wenig ueber uns zu erfahren. Bei anderen Gelegenheiten muss Uwe als beliebtes Fotomotiv herhalten und mit chinesischen Paerchen fuer ein Foto posieren. Wir sind jedenfalls beeindruckt von der Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft der chinesischen Jugend. 

Auch wenn es darum geht, lokal und guenstig zu essen, kommen wir um ausschliesslich chinesische Menukarten nicht drumherum. In vielen Schnellrestaurants ist das Menu gleich gross und breit an der Wand vermerkt. Leider bringt uns das dem Inhalt der Wandmalereien auch nicht weiter und so zeigen wir lieber auf unsere bereits essenden Nachbarn, um der Koechin verstaendlich zu machen, was wir gern haetten. Das bringt uns u.a. in den Genuss leckerer Dumplings - Pelmeni auf chinesich - und riesiger, gehaltvoller Schuesseln Nudelsuppe.  

Die ehemalige Hauptstadt Xi'an ist fuer ihre gut erhaltene, breite und 12 km lange Stadtmauer bekannt. Wir leihen uns Fahrraeder aus und umrunden die Altstadt mit dem Fahrrad auf der Stadtmauer. Von dort haben wir gute Aussicht auf die vielen Tischtennisspieler unterhalb der Stadtmauer und die vielen Baustellen fallen auf - mindestens 40 neue Betonhochhaeuser sind im Entstehen. In der Naehe von Xi'an besuchen wir die beruehmte Terrakotta Kriegerarmee und sind etwas enttaeuscht. Die Ausgrabungsstaetten sind weitraeumig mit Gelaendern abgesperrt und die Krieger wirken in der riesigen drumherumgebauten Halle eher wie eine Spielzeugarmee. Dass jeder Krieger einen unterschiedlichen Gesichtsausdruck hat, ist bei dieser Entfernung leider nicht so recht zu erkennen. Auch ist fuer uns neu, dass trotz 30 Jahre Ausgrabung die meisten Tonkrieger zersplittert in unzaehlige Tonscherben und noch unter Erde begraben auf ihre Zusammenpuzzelung warten. Beeindruckender fuer uns waren die bei Luoyang gelegenen Longmen-Grotten (Drachentorgrotten) mit den 1500 Jahre alten kunstvoll in Stein geschlagenen Figuren. Auch der Eintrittspreis war fuer chinesische Verhaeltnisse beeindruckend: Umgerechnet 15 Euro pro Person. Das definitive Highlight ist unsere Wanderung auf den Pilgerberg Hua Shan (siehe unseren Wanderbericht).

Weiter suedwaerts in Suzhou besuchen wir das Seidemuseum. Dort lassen wir uns den Prozess der Herstellung anhand lebender, immerzu Maulbeerblaetter schmatzender Seidenraupen erklaeren. Sehr anschaulich. Auch ist Suzhou fuer seine besondere Gartenkunst bekannt und wir besuchen mehrere typische Gaerten mit ihren Bruecken, Teichen, Inselchen und Pavillions. Beim Streifzug durch die Kanal- und Seidenstadt erleben wir noch ein Ueberbleibsel aus tiefster sozialistischer Zeit - der Appell. Praktiziert mitten auf dem Gehweg, mitten am Tag und - wir koennen es kaum glauben - von der Kollegschaft eines Friseurgeschaefts. Der Teamleiter, ein untersetzter, streng dreinblickender Herr in Uniform, bringt die jungen Friseure mit Militaerdrillmanier zum "Stillgestanden", "im Gleichschritt auf der Stelle marschieren" und "Durchzaehlen" der 11 Leute umfassenden Mannschaft - jedenfalls deuten wir seine Rufe und die Reaktion der Belegschaft so. Durch unser verdutztes und belustiges Stehenbleiben und Hinueberschauen, ueberkommt die jungen Leute in der ersten Reihe dann doch auch ein Schmunzeln in unsere Richtung.

(Durch Doppelklick werden die kleinen Bilder groß.)

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