Nepal: Im Tal der Goetter

Als wir China ueber Tibet verlassen, empfaengt uns wieder das farbenfrohe, sympatische Chaos, das uns an Indien so fasziniert hat. Bereits kurz nach der Grenze ist das Gewusel an Menschen, Karren, Kuehen und Jeeps so voll von Leben und der Visa-Ausstellungsprozess scheinbar voellig unkoordiniert, dass wir wissend schmunzeln muessen. Durch die Gassen zieht der uns bekannte Duft nach Gewuerzen.

Nepal liegt auf durchschnittlich 1300 Hoehenmetern und umfasst mit dem Himalaya Gebirge die hoechsten Berge der Erde. Das Strassennetz  falls ueberhaupt vorhanden, besteht meist nur aus staubigen Huckelpisten. Daher sind unsere Fahrten ueberland Nervenkitzel pur. War es in Indien noch lustig, wenn wir regelmaessig aus unseren Sitzen gehoben wurden und aufpassen mussten, dass wir uns am Busdach nicht unsere Koepfe einstossen, blicken wir in Nepal angstvoll aus dem Fenster. Denn die Busse hier holpern gefaehrlich nah am Rande steil abfallender Felsschluchten und bei jedem Schaukeln unseres mit Menschen und Gepaeck vollbepackten Gefaehrts sehen wir uns schon den Hang hinunterpurzeln. Dazu droehnt ohrenbetaeubend laute indische Discomusik aus den Lautsprechern. Was fuer eine bizarre Kombination. Man weiss wirklich nicht, ob man schreien oder lauthals loslachen soll. Zumindest koennen wir es relativ lange "geniessen", denn z.B. fuer die reichlich 200 km von Kathmandu bis Pokhara benoetigen wir mit dem ueblichen Stau neun Stunden.

Nach einer atemberaubend schoenen Wandertour in der Himalaya Region des Landes (siehe unseren Wanderbericht "Faszinierend hohe Bergwelt"), relaxen wir ein paar Tage in Pokhara. Hier laesst es sich aushalten, es ist nicht so quirlig und laut wie Kathmandu und wir koennen uns bei klarem Wetter am  Blick  auf das schneeweise Annapurnamassiv mit dem im Vordergrund aufragenden 6993 Meter hohen Machhapuchre, der als heiliger Berg nicht bestiegen werden darf, erfreuen. Dannach kommen wir trotz abenteuerlicher Schluchtenfahrten mit dem Bus wohlbehalten in Kathmandu an. Im Pashupatinath Tempel, dem groessten Hindutempel der Hauptstadt, treffen wir Bharat, der sich freut, sich mit uns auf Englisch unterhalten zu koennen. Er stammt aus einem kleinen Bergdorf weit im Westen des Landes und studiert Medizin in Kathmandu. Wenn er seine Familie besuchen moechte, benoetigt er ganze 5 Tage. Dabei ist er 2,5 Tage mit dem Bus unterwegs und muss weitere 2,5 Tage zu Fuss gehen, bevor er sein Dorf erreicht. Diese lange Reise kann er nur aller 2 Jahre einmal antreten, wie er uns erzaehlt. Uns beeindruckt, wie begeistert er von seinem Land spricht. Es macht ihn stolz, dass Buddha in Nepal geboren wurde und im Land die hoechsten Berge der Welt zu finden sind. Dennoch sieht er auch die Probleme, vorallem die den Fortschritt laehmende Buerokratie und Korruption im Land.

Im Hindutempel begegnen wir auch einer weiblichen Sadhu und Bharat hilft beim Uebersetzen. Seit ihr Mann gestorben ist, wohnt sie in einem der steinernen Tempelgebaeude. Sie hat ein Bild von ihrem Sohn an der Tempelwand aufgehaengt. Er kommt sie nur selten besuchen und hier hat sie keinen, mit dem sie reden kann. Ein Hund, der mit ihr die Bleibe teilt, hilft ihr gegen die Einsamkeit. Sie sagt, er ist der einzige, der ihr zuhoert. Nach ihrem Alter befragt, wundert sie sich ueber unsere Frage und kann nur einen Schaetzwert von  45 Jahren angeben. Bharat meint, dass viele Nepalis ihr Alter nicht genau wissen, da sie es nie von ihren Eltern erfahren haben und es wohl auch nirgends notiert wird. 

Die Religion bestimmt das Leben der Leute in Nepal. An jeder Strassenecke, in jedem Hinterhof taucht etwas Anbetungswuerdiges auf: Sei es der in die Hausmauer eingelassene kleine Goetterstatue, der goldverzierte, kleine Ganesh-Tempel um die Ecke, der kleine kaum unscheinbare mit roter Farbe und Blumen geschmueckter Pallus am Boden oder die riesige Swayambhunath Stupa, die hoch oben auf einem der Stadthuegel thront. In der Regel ist jeder der Tempel oder Statue einem der vielen Goetter gewidment und wird am fruehen Morgen und spaeten Nachmittag oder wenn gerade Zeit ist von den Nepalis liebevoll mit Spenden und Gebeten bedacht. Nicht zu unrecht wird das Kathmandu Tal als "Tal der Goetter" bezeichnet, der religioese Alltag ist einfach sehr faszinierend und lebendig.

In der Nachbarstadt Bhaktapur, 14 km von Kathmandu entfernt, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Wir besuchen die mit deutschen Spendenmitteln restaurierte Stadt am fruehen Morgen und sind von der Stimmung versaubert. Die Stadt ist weitgehend autofrei und bei ihren alten Haeusen, Gassen und Maerkten ist kaum etwas modernes sichtbar, man fuehlt sich um einige Jahrhunderte zurueckversetzt. Bhaktapur wird auch Bhadgaon, uebersetzt Reisdorf, genannt. Die Bevoelkerung besteht vorwiegend aus Bauern, die in alter Tradition ihrer Arbeit nachgeht und ganz dem Namen nach ueberall in der Stadt  den geernten Reis zum trocknen ausbreitet.(Durch Doppelklick werden die kleinen Bilder groß.)

 
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