Paraguay: "Hier kann man noch frei sein."

Insgesamt reisen wir zwei mal nach Paraguay. Zunaechst sind die von der Unesco zum Weltkulturerbe erklaerten Ruinen von Jesuiten-Missionen ganz im Sueden des Landes unser Ziel. Die Anreise ist unkompliziert. Wir nehmen den grenzueberschreitenden Linienbus vom argentinischen Posadas nach Encarnation, der paraguayischen Stadt auf der anderen Seite des Grenzflusses Paraná. Ein Unterschied zu Argentinien ist kaum festzustellen. An Geschaeften und Werbeplakaten lesen wir spanische Aufschriften. Guaraní, die Sprache der Ureinwohner, ist zwar Hauptsprache in Paraguay, aber fast alle Einwohner sprechen auch Spanisch - man lebt zweisprachig. Bezahlt wird mit Guaraní und wir sind gleich beim ersten Abheben am Geldautomaten Millionäre, denn 1 Mill. Guaraní sind keine 180 Euro. Aber zur Not kann man auch mit argentinischen Peso bezahlen, so klärt uns der freundliche Ticketverkäufer auf. Ein Ueberlandbus bringt uns in den verschlafenen Ort Trinidad, wo die Weltkulturerbe-Ruinen eher ein unbeachtetes Dasein fristen. Ausser uns sind keine Touristen weiter unterwegs. Leider gibt es auf Spanisch nur eine kurze uebergreifende Infobroschuere aller Missionsruinen in Paraguay, die auf Deutsch und Englisch gerade vergriffen ist. Aber dafuer geniessen wir die von der Abendsonne angestrahlten und schoen von Gruen umgebenen Ruinen.

Am naechsten Morgen fahren wir zu dem 12 km entfernten Jesus. Der Ort ist ebenso verschlafen und ruhig. Auch hier sind wir die einzigsten Besucher. Wir wollen mehr ueber die Geschichte erfahren. Deutsch- oder englischsprachige Fremdenfuehrer gibt es keine, obwohl in unserem älteren Reisefuehrer noch erwaehnt. So bitten wir eine Studentin um eine Führung auf Spanisch. Sie bemüht sich fuer uns Spanisch-Anfänger nicht so schnell zu sprechen und oft hilft unser Wörterbuch weiter: Die Ruinen stammen aus dem 17./18. Jh., als wenige Jesuitenmissionare die ansaessige Guaraní-Bevoelkerung bekehrten, moderne europäische Anbaumethoden lehrten und mächtige Missionsdoerfer aufbauten. Als diese zu mächtig wurden, liess der spanische König sie auflösen und seither waren sie dem Verfall preisgeben. Im Fall der Jesus-Mission bestand die Mission erst 10 Jahre und viele grössere Bauten, wie die Kathedrale, sind vor Auflösung nicht fertig gestellt worden. Dennoch ist erstaunlich, was in 10 Jahren in damaliger Zeit mitten im Urwald von drei spanischen Priestern sowie ca. 3000 Guaraní geschaffen wurde.

Zurück nach Trinidad versuchen wir zu trampen, da wir nicht so lange auf den Bus warten wollen. Zehn Minuten spazieren wir die Landstrasse entlang bis uns ein älterer Mann in seinem Pick-up mitnimmt. Und er spricht zu unserem Erstaunen Deutsch! Er ist Nachfahre deutscher Einwanderer, die zunaechst in Brasilien lebten und dann nach Paraguay übersiedelten. Er lebt von der Landwirtschaft und hat etwa 400 Kühe. Zur Zeit laeuft es ganz gut - der Fleischpreis ist sehr hoch. Ein bisschen stolz erwähnt er seinen Nachnahmen: "Schöller", denn einer seiner Verwandten hat um 1900 den sehr deutsch klingenden Ort Hohenau mitgegründet. Hohenau liegt 8 Km nördlich von Trinidad. Zu Hause spricht er deutsch und auch in seinem Wohnort Bella Vista gibt es fast nur Deutsche. Ja, hier sind alle dreisprachig, erklaert er: Deutsch, Guaraní und Spanisch. Sogar im örtlichen Radio wird deutsche Musik gespielt, nur die Werbung ist auf Spanisch. Als wir in Trinidad aussteigen, meint er, er hat gleich gesehen, dass wir aus Deutschland sind. Paraguayer haette er nicht mitgenommen, das ist ihm zu gefaehrlich.

Als wir im oertlichen Hotel unsere Sachen zur Weiterreise holen, treffen wir auf den Hotelbesitzer und seinen Freund, zwei neue Auswanderer: Der Hotelbesitzer kommt aus Berlin und lebt seit fünf Jahren hier. Sein Freund, gebürtig aus Wien, lebt seit 2 Jahren ca. 20 km von hier. Uwe ist neugierig und fragt, warum sie hierher ausgewandert sind: Da ist die Lust was Neues anzufangen, meint der eine. "Hier kann man noch frei sein", meint der andere. Hier gibt es nicht den Ueberwachungsstaat mit Kameras überall, wie in Wien, und keine Bürokratie. Hier ist alles viel einfacher, relaxter und man bekommt noch was für sein Geld. Und wenns ein Problem gibt, dann gibt man was (Geld) und dann läuft es schon. Das Klima hat auch seine Vorzüge - nur wenige Tage im Jahr braucht man lange Hosen, Schnee gibts nie. Der Ex-Wiener spricht kaum Spanisch, aber in seinem Dorf sprechen fast alle Deutsch. Nur ist es hier schwieriger zuverlässiges Personal zu finden, meint der Hotelier.

Wir nehmen den Bus nach Ciudad del Este, die noch vor 20 Jahren nach dem deutschstaemmigen und 1989 abgesetzten Diktator Alfredo Stroessner, Puerto Presidente Stroessner hiess. Und von dort aus überqueren wir die Grenze ins argentinische Puerto de Iguazu, die Stadt bei den berühmten Wasserfällen. (siehe dazu "Gegensätzliche Wasserwelten") Am Abend lesen wir im Internet, dass der berüchtigte KZ-Arzt Josef Mengele sich 1959/1960 im oben genannten paraguayischen Hohenau versteckt hatte...  (nach den Bildern folgt der zweite Teil)

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Vom argentinischen Puerto de Iguazu fahren wir wieder zurück ins paraguayische Ciudad del Este und von dort sieben Stunden mit dem Bus nach Asunción, in die Hauptstadt und groessten Stadt von Paraguay. Sie wurde 1537 gegruendet, wird auch "Mutter aller Staedte" genannt, weil von hieraus viele neue Staedte gegruendet wurden.  

Asunción hat viele alte Kolonialgebaeude und wir besuchen auch das aelteste Gebaeude der Stadt in dem vor 200 Jahren die Unabhaengigkeitserklaerung unterzeichnet wurde. Es ist heute ein Museum. Auch sonst sind viele Gebaeude geschmueckt - zum diesjaehrigen 200sten. Und uns fallen die vielen Verkehrspolizisten auf, die den Verkehr regeln, denn es gibt kaum Ampeln. Auch ist der grosse Gegensatz von Arm und Reich leicht sichtbar: Gleich gegenueber dem Parlament befindet sich ein Slum. Wir bleiben nicht lange, denn in der Stadt soll es spezielle Muecken geben, die Gelbfieber uebertragen. Die Besitzerin unseres Hostels meint zwar, es gibt in der Stadt kein Gelbfieber und es war nur eine Art der Regierung, um internationale Hilfsgelder einzuwerben. Aber man weiss ja nie...

Bei der Weiterreise nach Argentinien koennen wir noch die oben angesprochene spezielle Art "dann gibt man was (Geld) und dann läuft es schon", auch Korruption genannt, kennenlernen. Bei unserem Abstecher von Paraguay zu den Iguazu Wasserfaellen, hatte der Pendelbus weder bei der Ausreise, noch bei der erneuten Einreise bei der Grenzabfertigung von Paraguay angehalten und wir bekamen nur die argentinischen Ein- und Ausreise-Stempel. Dies bemerkte der Grenzer von Paraguay bei der Grenze in der Naehe von Asunción beim Pass von Tina. Bei Uwes Pass war es ihm nicht aufgefallen, da das Datum im Stempel sehr undeutlich war. Nun wollte er von Tina eine "Strafgebuehr" von 45 Dollar. Nach einigen hin- und her bezahlten wir ingesamt rund 30 Dollar und ein Laecheln war bei Uebergabe des Geldes auf dem Gesicht des Grenzers zu sehen. Sicher ging es in seine Taschen. Den Unterschied bei der Verfahrensweise zu Argeninischen Grenzbeamten konnten wir dann bei zwei Schwedinnen miterleben: Sie hatten ein Problem mit Ihrem Pass. In Paraguay zahlten sie die volle "Strafgebuehr" und sie konnten ausreisen. Bei den Argentinischen Grenzern war diese Verfahrensweise aber nicht moeglich und so konnten nicht nach Argentinien Einreisen.

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