Indien, Rajasthan: Im Land der Koenigssoehne

Rajputana - Land der Koenigssoehne - so der alte Name des heutigen Bundesstaates Rajasthan im Norden Indiens. Die Region war zersplittert in viele Fuerstenstaaten, die sich bekriegten und jeder Fuerst liess seine eigene Festung und Palaeste errichten. Diese Prachtbauten gibt es heute in den Staedten zu bewundern und machen Rajasthan zum meist besuchten Bundesstaat Indiens. Jeder Herrscher verlieh seiner Stadt einen im wahrsten Sinne des Wortes eigenen Anstrich. Jaipur, die Hauptstadt Rajasthans, ist die rosarote Stadt. Der damalige Maharaja liess zu Ehren des Prince of Wales, der die Stadt 1876 besuchte, alle Haeuser der Altstadt rosarot anstreichen. Jodhpur gilt als die blaue Stadt. Denn blau wurden die Haeuser der Brahmanen, Gelehrte der obersten indischen Kaste und Berater der Koenigsfamilie, angestrichen. Udaipur mit seinen mamorfarbenen Stadtpalaesten wird als die weisse Stadt bezeichnet. Weil keines der Fuerstentuemer hoeher gestellt war als das Fuerstentum Mewar, durfte Udaipur als dessen Hauptstadt die reine Farbe weiss fuer sich beanspruchen. Schliesslich ist die Stadt Jaisalmer als goldene Stadt bekannt, da der fuer alle Bauten verwendete gelbe Sandstein golden in der Sonne glaenzt.  

So wandeln wir durch die farbigen Staedte auf den Spuren kriegerischer und maechtiger Herrscherfamilien. Diese Herrscherfamilien gibt es heute noch. Seit der Unabhaengigkeit Indiens im Jahre 1947 ohne politische Macht, aber mit betraechtlichem Besitz, leben sie nach wie vor in Teilen ihrer Palaeste. Sie engagieren sich ueber Stiftungen fuer den Erhalt der Festungsanlagen, betreiben Luxushotels und schicken ihre Soehne wie damals zu Kolonialzeiten auf englische Eliteschulen.

Rajasthan ist zu 57 Prozent von der Wueste Thar bedeckt und das Wuestenklima praegt Land und Leute. Bereits die Fuersten liessen den Umstand von Trockenheit, sengender Hitze und Wasserarmut in den Bau ihrer Palaeste und Festungen einfliessen. Filigrane, luftdurchlaessige Aussenfassaden und schattige Innenhoefe sorgten fuer Kuehlung. Ein ausgekluegeltes System von steinernen Abflussrinnen und Aufgangbecken sicherte, dass jeder Tropfen Wasser aufgefangen und von Stockwerk zu Stockwerk weitergeleitet wurde. Den Gegensatz zu den unfruchtbaren Ebenen bildet die Kleidung der Menschen. Maenner tragen traditionell orange-, rot- oder rosafarbene Turbane, aber leider kommt der Turban nach und nach aus der Mode. Frauen in ihren farbenpraechtigen, glitzernden Saris sind jedes Mal aufs Neue ein Hingucker.

In der roten Stadt Jaipur begegnen wir einer Spezies, die wir bislang nur aus dem Heidelberger Zoo kannten. Hier leben sie in Horden auf den Daechern der Millionenstadt - Languren. Die edlen Affen mit ihrem grau glaenzenden Fell sind heilig in Indien, werden von den Stadtbewohnern mit Fruechten gefuettert und leben wie es scheint in holder Eintracht mit den Menschen. Ab und zu treiben sie aber auch ihr Unwesen und stehlen Kindern die gerade gekaufte Chipspackung, um sie vor den Augen der erschreckten Kleinen aufzureissen und den Inhalt sofort zu verzehren.

In Pushkar, einem Ort der unter westlichen Haendlern fuer die Billigproduktion farbenfroher Alternativ-Kleidung bekannt ist, die es in Deutschland u.a. auf Weihnachts- und Volksmaerkten zu kaufen gibt, erleben wir nochmal die Feierlaune der Inder. Den Indern gilt Pushkar naemlich als eine heilige Pilgerstadt. Und wir sind zur Hochzeitsfeier-Hauptsaison im Ort. Tagsueber und allabendlich ziehen Hochzeitsgesellschaften mit einer Musikergruppe laermend durch die Strassen. Die Frauen getrennt von den Maennern, aber beide Gruppen in ausgelassener Tanzlaune. Werden doch die Tanzenden von den uebrigen Gaesten mit Geldscheinen gesegnet, die von den Musikern eingesammelt werden - deren Lohn fuers Spielen. Auf jeden Fall ist im sonst ruhigen, in den Bergen gelegenen Ort vor Mitternacht an Schlaf nicht zu denken.

Von der goldenen Stadt Jaisalmer, im Westen des Landes und direkt in der Wueste gelegen, reiten wir auf Kamelen dem Sonnenuntergang entgegen. Wie so oft bedurfte es zunaechst einer laengeren Diskussionen, um durchzusetzen, dass jeder fuer den vereinbarten Preis ein Kamel bekommt und wir nicht zusammen auf ein Kamel gesetzt werden. Als wir dann starten, schwingen sich unsere jungen Kamelfuehrer, 10-jaehrige Jungs, mit auf das Lasttier und spornen die Tiere richtig an. So ueberholen wir alle anderen Kamelreiter, hauptsaechlich indische Touristen zu zweit auf einem Kamel, und wir fragen uns dabei, wie man so ein "Durchgeruettelt werden" laenger als eine halbe Stunde aushaelt. Den Muskelkater, den wir Tage nachher noch spueren, war die Erfahrung aber allemal wert.   

Die letzten Tage unserer Indienreise verbringen wir in der weissen Stadt Udaipur, die einen schoenen See mit Palastinsel, einen riesigen Palastkomplex am Ufer, fuer Indien so untypisch saubere Parks und eine wunderbar relaxte Atmosphaere hat. Wir freuen uns schon auf Suedostasien, aber ein bisschen Wehmut kommt schon auf, schliesslich waren wir nun ueber 3 Monate in Indien. Und nun erleben wir nochmal, mit welcher Hingabe die Menschen religioese Zeremonien abhalten. Am Ufer ist ein Menschenauflauf. Wir sehen ca. 20 Frauen mit Wasser und einer Kokosnuss gefuellte Kruege auf ihren Kopf heben. Dann setzen sich die Frauen mit den Kruegen und einige mehr Menschen in Bewegung. Es geht durch die engen Gassen und einige Frauen geraten so in Trance, dass sie von anderen Leuten gestuetzt werden muessen. Maenner zerschlagen Kokosnuesse vor den Frauen in Trance und bespritzen sie mit dem Kokosnusssaft. Nach einer viertel Stunde erreicht die Menge ihr Ziel, eine mit schattenspendenden Tuechern ueberspannte Nebenstrasse und lassen sich auf Teppichen nieder - Frauen und Maenner getrennt. Die kleinere Schar Maenner, von denen einige kahl geschoren sind und bunte Tuecher um den Kopf bindet, setzt sich im Kreis zusammen und nach einer Weile gibt es feierlich eine Kleinigkeit zu essen. Keiner den wir fragen kann uns verstaendlich erklaeren, was da vor sich geht. Wir bekommen nur soviel mit: Es ist eine Zeremonie 10 Tage nach der Bestattung eines Verwandten.

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